24.01.1985

Schwäbische Zeitung 24.01.1985 Franz Holzmann, Dächingen, auf den Spuren von Bruder Johannes Stiehle in Ecuador/Südamerika

Text und Bilder von Veit Feger

Nachdem die Ehinger Redaktion der Schwäbischen Zeitung im Herbst ein vorläufiges Ergebnis ihrer Nachforschungen über den Redemptoristen-Bruder Johann Baptist Stiehle veröffentlicht hatte, war es der Zweck einer Reise des Dächinger Ortsvorstehers Franz Holzmann, bei einer zufällig kurz darauf ermöglichten Ecuador-Reise weitere Fotos und nach Möglichkeit auch Pläne von den architektonischen Leistungen des aus Dächingen stammenden, in Cuenea 1899 verstorbenen J. Stiehle zu beschaffen. Die Fahrt war in mehrfacher Hinsicht keine kleine Aufgabe. Holzmann spricht kein Spanisch, er hat noch nie eine große Reise gemacht und wenig fotografiert; um so respektabler, wie er die Reise auf den Spuren von Juan Bautista Stiehle bestand und vor allem, daß die Foto-Arbeit hervorragende Ergebnisse zeitigte. Die SZ Ehingqn veröffentlicht auf dieser Seite eine Reihe Aufnahmen, die Franz Holzmann machte; eine Überraschung ist die jetzt erstmals in Deutschland verfügbare Aufnahme der Wallfahrtskirche von Biblian, ebenfalls eine Planung Stiehles. Es war eine mehrstündige Fahrt nötig, um Biblian von der Großstadt Cuenca aus, dem Haupttätigkeitsort J. Stiehles, zu erreichen.

Franz Holzmann konnte auch zahlreiche wichtige Kontakte knüpfen, die dazu führen werden, daß weiteres Fotomaterial in Deutschland eintreffen wird; er konnte eine Veröffentlichung speziell zur Baugeschichte der Cuencaer Kathedrale mitbringen, aus dem Jahre 1962, die jetzt im Auftrag der SZ übersetzt, von uns ausgewertet und auszugsweise veröffentlicht wird. Katholische Dächinger werden sich gewiß freuen, zu hören, daß im Januar 1985 Papst Johannes Paul II. bei seiner Südamerikareise in jedem Fall Cuenca und voraussichtlich auch die von J. Stiehle geplante Kathedrale besuchen wird. Gleichfalls von Interesse: die Kathedrale erhielt nach dem Zweiten Weltkrieg einen Hauptaltar nach dem Muster des Petersdoms, mit einem Baldachin auf vier gewundenen Säulen; er wurde 1962 von dem Kölner Erzbischof und Kardinal Höffner geweiht, wohl wegen der vielfachen Spenden die von deutschen Katholiken nach Südamerika geflossen sind.

Franz Holzmann war es möglich, auch eine Büste Stiehles zu fotografieren, des weiteren mehrere von ihm konstruierte Brücken, die zur Panamericana gehören und auch einen von ihm angelegten Brunnen im Frauenkarmel von Cuenca; Holzmann wird mit der erste männliche Laie gewesen sein, der da Einlaß fand. Als höchst hilfreich erwies sich eine Visitenkarte, die in spanischer Sprache den Vorzeiger als Bürgermeister der Gemeinde ausweist (Dächingen bei Ehingen/ Donau), aus der der Erbauer der Kathedrale von Cuenca stammt. Veit Feger von der SZ-Redaktion hatte die glückliche Idee, die dann Holzmann, wie er berichtet, "alle Türen öffnete".

Weil "nicht alle Tage" ein Bürger aus dem Raum Ehingen nach Ecuador kommt und weil die Reise Holzmanns ja nicht per Reisebüro-Planung verlief, soll sie im folgenden nach einem ersten Bericht des Dächinger Ortsvorstehers auch an ihrem "allgemeinen Teil" ausführlicher geschildert werden. Holzmann wird sicher später auch selbst, wenn die vielen Dias, die er bei der Reise auf den Spuren Johann Stiehles aufnahm, fertig sind, über diese Reise berichten. Durch die besondere Mission, die mit der Reise verbunden war, hatte Holzmann die Gelegenheit, viel mehr zu sehen als sonst üblicherweiße bei einer solchen Reise "drin ist".

Statt per Flugzeug mit dem Jeep

Es ging gleich mit einer "Nicht-Planung" los. Als Holzmann mit den Spaichinger Bergsteigern, deren "dritter Mann" ausgefallen und an dessen Stelle Holzmann bekanntlich getreten war, am Abend des Sonntags, 22. Dezember 1984, in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito eintrafen, stellte sich heraus, daß der bereits gebuchte Weiterflug von Quito zu dem 480 Kilometer weit entfernten Cuenca im Süden des Landes nicht möglich war, weil alle Flugzeuge überbelegt waren und einige Flüge ausfielen. Es sah schon so aus, als würde Holzmann jetzt in Quito festsitzen, wohin er ja nicht wollte. Dieter Class aus Spaichingen und Siegfried Merkt aus Harthausen bei Rottweil als reiseerfahrene Bergsteiger, kümmerten sich hier und auch sonst vielfältig um Franz Holzmann. Ein deutschsprachiger Reisebüro-Mann fand einen Jeep und einen Fahrer, der Holzmann am 24. und 25. Dezember nach Cuenca chauffierte. Für die Strecke rechnet man bei einem guten Fahrzeug und "guten" Straßen- verhältnissen zwölf Stunden; es können aber leicht mehr werden. Die Straße führt an der Anden-Kordillere entlang, durch Hochtäler und über Pässe von weit über 3000 Meter Höhe. Holzmann sprach kein Spanisch, der Fahrer kein Deutsch, also verständigte man sich halt mit Gesten - das aber klappte sehr gut. Und der Dächinger Ortsvorsteher ist seinem ecuadorianischen Chauffeur dankbar, weil dieser sich so überaus freundlich um ihn kümmerte und ihn heil über eine Strecke brachte, bei der die Straße oftmals kaum mehr zu erkennen war. Zwischen Quito und Cuenca gab es, letztes Jahr einen größeren Bergrutsch, und es ist bis heute noch nicht bekannt, wieviel Menschen auf der Straße damals den Tod fanden. Dabei handelte es sich bei der Straße um die sogenannte Panamericana, die streckenweise bloß noch wie ein Feldweg aussah und ohne jede Abstützung und Absicherung an steilsten Berghängen sich entlang schlängelte. Ein bißchen Angst mußte man da in dem dünn besiedelten Hochland schon haben: Ecuador ist ein bißchen größer als die Bundesrepublik, hat aber nicht einmal ein Achtel von dessen Einwohnerzahl; von den 8,5 Millionen Einwohnern wohnt bereits ein Viertel in den beiden größten Städten Guayaquil und Quito. Kurz: Holzmann überstand die Fahrt, und, nach diesen Erkenntnissen über die Straßenqualität mußte er um so mehr Respekt dafür haben, daß sein Landsmann vor hundert Jahren für diese Straße mehrere Brückenbauten geplant hatte. Außerdem wurde Holzmann belohnt mit einer langen Fahrt durch eine Landschaft mit großartigem Panorama.

Weihnachten in Ecuador

Sein ecuadorianischer Führer brachte ihn auch noch mitten in der Heiligen Nacht zu einem Christfest, wie es dort in einer größeren Stadt, Riobamba, gefeiert wird: mit Lichterbäumen auf jedem Balkon und hinter jedem Fenster, mit einem Fest im Freien mitten auf den Gleisen eines Bahnhofs, mit Fackelzügen durch die ansonsten stockdunkle Nacht, mit herzlicher Gastfreundschaft gegenüber dem "Alenan". Auch für Riobamba haben wir übrigens einen Hinweis, daß Bruder Johannes Hermano Juan, hier arbeitete.

Bei seiner Fahrt kam Holzmann auch an den höchsten Bergen des Landes vorbei, dem Chimborazo mit 6300 und dem Cotopaxi mit 6000 Meter Höhe. Beiläufig: Quito selbst liegt 2280, Cuenca 2500 Meter hoch.

Am Weihnachtsfeiertag um die Mittagszeit trafen Holzmann und sein Fahrer in Cuenca ein, wo sie sich von einem Taxifahrer - Cuenca hat mindestens 120000 Einwohner - zur Niederlassung der Steyler Missionare fahren ließen; hier hatten sich auf Bitten der SZ Ehingen die Redemptoristen von Cuenca um eine Übernachtungsmöglichkeit gekümmert, weil in dieser Niederlassung auch mehrere deutschsprachige Patres tätig sind.

Die Erde ist rund

Die zwei Patres, deren Namen Holzmann von der SZ genannt worden waren, befanden sich gerade dienstlich gar nicht im Haus. Glücklicherweise war noch ein weiterer deutschsprachiger Pater da, Roman Malgiaritta. Und ihm versicherte Holzmann zu dessen vollkommener Verblüffung, daß er, Malgiaritta, Rätoromane sei und als Pfarrer arbeite. Für Pater Roman grenzte das an Hexerei, wenn da einer, der geradewegs aus Deutschland kommt und den er nie gekannt hat, so gut von ihm Bescheid wissen will. Holzmann löste das Rätsel rasch; er hatte die letzte Ausgabe der Zeitschrift des Missionswerks der deutschen Katholiken mitgebracht, in der, wie von der SZ berichtet, auch die Cuencaer Kathedrale groß abgebildet ist; in dieser Zeitschrift ist auch mit Foto von der Steyler Niederlassung in Cuenca berichtet und Pater Roman abgelichtet und benannt; der hatte von seinem Publizitäts-Glück in der Bundesrepublik noch keine Ahnung, er erinnerte sich nur, daß letzten Sommer ein deutscher Fotograf in Cuenca war. Die Überraschung und auch die Freude war natürlich groß über dieses unerwartete Geschenk, und Franz Holzmann war von daher noch ein viel werterer und herzlich begrüßter Gast.

In der Folge lernte er dann Pater Gerhard kennen, der das Bibelzentrum der ecuadorianischen Bischöfe leitet, unterstützt von zahlreichen Helfern, mit denen Holzmann über alle Sprachgrenzen hinweg gleichfalls herzlichen Kontakt fand. Die Aufgabe dieses Bibelzentrums ist es, eine vergleichsweise neu übersetzte Bibel zu verbreiten, die in der Bebilderung "indianisch" gestimmt ist, mit vielen Motiven der vorkolumbianischen, indianischen Kunst, mit Fotos aus dem Land selbst. Die Menschen dort sollen sich im religiösen Bereich als eigenwertig, nicht als europäische Randerscheinung, sehen lernen.

Die Pfarrei San Roque, die die Steyler u.a. betreuen, erwies sich im übrigen dann fast als ein "deutschsprachiges Nest": Holzmann lernte auch eine junge Österreicherin und einen jungen Österreicher kennen, die als Kindergärtnerin und als Entwicklungshelfer als Laien in kirchlichem Auftrag hier tätig sind. In dem Pfarrzentrum war Holzmann - man kann's nicht anders sagen: gut aufgehoben. Auch die landesübliche Küche, mit Mais in vielen Zubereitungsarten, vielen Früchten, wenig Fleisch, schmeckte ihm vorzüglich und bekam ihm auch sehr gut. Wann die Steyler und weitere Cuencaer neben ihrer in der Weihnachtszeit besonders gefragten Arbeit nur irgend ein bißchen Zeit hatten, begleiteten sie Holzmann durch die Stadt und die nähere und weitere Umgebung zu Bauten, an denen Bruder Stiehle mitgearbeitet hatte, und erläuterten ihm auch Land und Leute und Bräuche. Mit den Patres und jungen Mitarbeiterinnen des Bibelzentrums verbrachte Holzmann einen wunderschönen Abend gleich am ersten Weihnachtsfeiertag, wie er dort sonst gefeiert wird. Eine Ecuadorianerin sang Holzmann zu Ehren zahlreiche deutsche Volkslieder, so "Kein schöner Land" und auch die dritte Strophe der Deutschlandhymne; sie hatte sie von ihrem Lehrer gelernt, sie kannte zwar den Inhalt nicht, sang aber die deutschen Worte ohne Fehler mit selten schöner Stimme.

Fotos aus Dächingen nach Cuenca

Besonderes Erlebnis natürlich, als dann am nächsten Tag die Kathedrale besucht wurde. Obwohl es Jahrzehnte bis zur endgültigen Fertigstellung dauerte, wurde, so erfuhr Holzmann, immer nach den Plänen Stiehles gearbeitet; das geschah zwar nicht ohne Widerspruch, aber das Motto "Urplan-Treue" setzte sich allem nach durch. Am Hauptportal der Kathedrale lernte Holzmann dann auch Pater Juan Abril, den Leiter der Redemptoristen-Niederlassung in Cuenca, kennen, der die SZ im letzten Spätsommer mit der Zusendung von ersten Fotos und Texten unterstützt hatte. Für den Pater hatte Holzmann ein besonderes Geschenk dabei, Fotos vom noch existierenden Geburtshaus Stiehles in Dächingen, Fotos von Grabstätten mit dem Namen Stiehle und Kopien aus einem Familienbuch der Dächinger Stiehle mit Eintragungen über Hans Stiehle und seine Geschwister, außerdem eine Kopie eines Fotos von Stiehle aus dessen Zeit in Teterchen/Lothringen, vor 1873. (Inzwischen ist in Dächingen noch ein weiteres, hervorragend erhaltenes Foto aus diesem Zeitraum aufgetaucht und dem Ortsvorsteher zur Kopie überlassen worden; es war laut rückseitigem Aufdruck in der Ehinger Firma Nusser - später Greiner, jetzt Hofmann, gerahmt worden).

Besonders groß war die Freude in Cuenca über die große Veröffentlichung der Schwäbischen Zeitung Ehingen; Holzmann hatte eine Reihe Exemplare mitgebracht und verteilte sie. Was uns auch sonst noch bestätigt wurde: während man von Südamerika viel nach Deutschland schaut und nicht in erster Linie nur nach seinen schlechten Seiten, ist es eine große Ausnahme, wenn wir unser Interesse einmal in positivem Interesse (nicht an Schreckensnachrichten) nach dort wenden, und darüber freut man sich in Südamerika.

Die Redemptoristen führten Holzmann zur jetzigen Niederlassung und stellten ihm das neue Pfarr- und Diözesanzentrum vor. Letzteres ist bekanntlich mit einem großen Bild Stiehles geziert und wurde 1982 nach ihm benannt; das Bild an der Außenseite ist aus lauter farbigen und glasierten Keramikplatten zusammengefügt; es entstand in Riobamba. Holzmann konnte auch ein Ölgemälde Stiehles sehen und fotografieren, das einen Saal in dem Neubau ziert. Es wurde an dieser Stelle bei der ersten Veröffentlichung bereits wiedergegeben.

Für die Ordensmitglieder dort ist die Erinnerung an den heiligmäßigen Lebenswandel von Hermano Juan auch heute noch ganz lebendig, neben der Erinnerung an seine architektonischen und künstlerischen Leistungen.

Der Alcalde von Dächingen beirn Erzbischof von Cuenca

Die ungewöhnliche Visitenkarte Holzmanns ermöglichte ein ganz ungewöhnliches Erlebnis. Holzmann war in der Kathedrale bei einem festlichen Gottesdienst, den der dortige Erzbischof zelebrierte. Klar: ein Foto vom Erzbischof in der Stiehle-Kirche wäre schon besonders schön. Als der Geistliche im Ornat und in zeremonieller Begleitung nach dem Gottesdienst noch bei vollem Gotteshaus durch dessen Gänge zog, fotografierte ihn Holzmann und konnte ihm auch noch seine "Karte" zeigen., Der Erzbischof überflog sie und war höchst erstaunt; er erteilte daraufhin ganz feierlich vor hunderten Gläubigen dem unbekannten Gast aus Deutschland einen besonderen Segen mit dem Bischofskreuz und reichte ihm seinen Ring zum Kuß. Tags darauf wurde Holzmann darin vom Erzbischof Monsignore Luis Albert Luna Tobar in dessen Wohnung empfangen. Dabei ist zur Zeit in Cuenca große Hektik bei allen geistlichen Berufen, weil der Papstbesuch Ende Januar vielfältige Vorbereitungen fordert.. Holzmann sah auch, wie außerhalb der Stadt eigens ein Altar mit einem riesigen Zuschauerrund für einen Gottesdienst des Papstes errichtet wurde. Holzmann lernte im Bibelzentrum der Steyler auch einen ecuadorianischen Theologieprofessor der Universität Quito kennen, der fließend Deutsch sprach, Holzmann viel über Land und Leute darlegte und der in seinem Land leitend für die Vorbereitung des Papstbesuches zuständig ist.

Der Besuch beim Erzbischof und dessen Empfehlung öffnete Holzmann dann die Türen zu dem Architekturbüro, das für Renovierungsarbeiten an der Kathedrale zuständig ist und bei dem im Safe die Planungsoriginale liegen. Mißgeschick im Glück: dessen Leiter war kurz vor Weihnachten Chef der Postbehörde von Ecuador geworden, hatte Cuenca verlassen, und so konnte Holzmann nur die Plankopien sehen, er machte aber die Bekanntschaft eines Berufsfotografen, Pepe Alvarado, der ihm jetzt die Originale fotografieren und die Filme zuschicken wird. Alvarado ist der Enkel eines Künstlers, der vor rund neunzig Jahren ein Bildnis Stiehles anfertigte, eine Plastik, die sich heute noch im Familienbesitz findet, die Holzmann ebenfalls sehen konnte und deren Foto die Schrift von Luis A. Moscoso Vega über die "Catedral de la Immaculada" aus dem Jahre 1962 einleitet und die auch jetzt wieder verwendet wurde für eine Gedenkschrift zum 100-jährigen Baubeginn der Kathedrale.

Mit seiner Visitenkarte erhielt Holzmann auch Zutritt zum Karmelklöster, um dort einen von Stiehle angelegten Brunnen zu fotografieren. Wie zeremoniell das zuging, wollen wir dem Ecuador-Reisenden Holzmann bei einem seiner künftigen Vorträge noch selber schildern lassen. Im Karmel erhielt Holzmann die Erlaubnis, alte Malereien des dortigen Refektoriums zu fotografieren, Arbeiten, von denen möglicherweise überhaupt noch nie Fotos gemacht wurden, weil die Abschließung der Karmeliter gegen die Sünden und Verführungen der Weit die denkbar strengste ist.

Gottesdienst in den Anden

Wohl das ungewöhnlichste Erlebnis der Reise zu und die Teilnahme an einem Gottesdienst unter Indios des Hochlandes. Nur in größeren Abständen kommt ein Pfarrer dort hin, wegen der Schwierigkeit des Anmarschweges und wegen der nicht zu großen Zahl Priester in Südamerika. Pater Roman, Steyler Missionar, der die Indio-"Pfarrei" auch zu betreuen hat, wurde samt Holzmann von den Indios mit einem Pritschenwagen abgeholt und zunächst ein längeres Stück ins Land hinein und das Gebirge hoch gefahren. Ein Ritt zu Pferd schloß sich an (Holzmann war das letzte mal in seiner Kindheit auf einem Pferd gesessen). Nach dreieinhalb Stunden war ein freies Feld auf der Hochebene erreicht. Hier stand als einziges Gebäude eine kleine Hütte, die sonst als Schule dient; vor ihr war im Freien ein einfacher Triumphbogen für den weitangereisten Pfarrer aufgebaut und ein Altar. Zum Gottesdienst sangen die etwa vierzig oder fünfzig lndios, die in ihrem Festtagsstaat teils übergroße Strecken hier her zu Fuß, einige auch auf kleinen Bergpferden angekommen waren, eigene religiöse Lieder. Der Gottesdienst unter freiem Himmel war wohl der eindrucksvollste, den Holzmann je erlebte, wegen der religiösen Inbrunst dieser Menschen, die sonst ein sehr hartes, entbehrungsreiches Leben führen müssen.

Auf dem Rückweg wurde Holzmann in einem einfachen Bauernhof ein Festessen nach Landessitte serviert, das dem deutschen Gast hervorragend schmeckte, das ihn aber die ganze Zeit rätseln ließ, um welche Art Fleisch es sich da wohl handeln möge; er konnte sich keines vorstellen. Wie er nachher erfuhr, handelt es sich um eine der wenigen Tierarten, durch die die Bewohner des tierarmen Landes zu fleischlichem Eiweiß kommen können, um eigens zu Speisezwecken gezüchtete Meerschweinchen. Man kann sich vorstellen: groß war dieser Braten sicher nicht.

Bei seiner Reise konnte Holzmann natürlich auch Bauten aus der Inka-Zeit sehen, bei der Rückfahrt in Quito auch die Orgel fotografieren, die Hermano Juan gebaut haben soll, und ein Museum für sakrale Kunst irm dortigen Franziskaner-Kloster besuchen, ein Museum, das üblicherweise gar nicht besichtigt werden kann; in den letzten zwei Jahren erhielten gerade 23 Personen die Erlaubnis). Bei einem weiteren Museumsbesuch in Quito, kurz vor dem Rückflug, fiel Holzmann ein Gemälde auf, das verblüffend dem an der Chordecke der Dächinger Pfarrkirche ähnelt und von dem bekannt ist, daß es aus Frankreich stammt.

Politische Kämpfe

Den krassen Unterschied zwischen Stadt und Land hatte Holzmann bei seiner Fahrt mehrfach beobachten und miterleben können: Menschen, die fast so leben wie vor Jahrhunderten, und andere, für die der Gebrauch der Möglichkeiten des 20. Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit ist. Am Schluß seiner Reise bekam Holzmann auch noch eine andere Problemseite des Landes mit: er war Zeuge von Straßenkämpfen und Demonstrationen. Er hatte entsprechend dem Vorschlag von Landeskundigen Cuenca früher verlassen. um die schon gebuchte Maschine von Quito nach Frankfurt zu erreichen. Wie Holzmann noch in Quito erfuhr, sollen in der Folge der Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Bevölkerung, ausgelöst u. a. durch eine drastische Benzin- preiserhöhung, auch Tote zu beklagen gewesen sein.

Zurück zu unserem Hauptthema. Die SZ Ehingen plant zum Thema Stiehle noch eine weitere größere Veröffentlichung. Die Materialien, die wir jetzt aus Ecuador erhielten, dazu die in Dächingen "neuentdeckten" Briefe, auch die Zusendungen vom Redemptoristen-Zentralarchiv aus Rom, werden für eine spätere Veröffentlichung ausgewertet.

 

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