Dem Tode nahe

Während seines Aufenthalts in Frankreich entgeht Bruder Johannes mehrmals nur knapp dem Tod. 1854 werden in Frankreich »viele Tausende durch die Kolera vom Leben abgerufen. Teterchen, so schreibt Johannes, hat »der Herr ... gänzlich verschont«.

Bruder Johannes übernimmt im Kloster nach der Profeß die Aufgabe des Krankenpflegers. Diese Arbeit, die er mit großer Aufopferung ausführt, muß er jedoch noch 1854 wegen starker Brustschmerzen aufgeben. Sein Zustand verschlimmert sich zusehends. Im Herbst 1855 kann er nur noch mit Hilfe anderer schreiben. Einen Brief seines Bruders Anton kann er wohl lesen, aber nicht mehr beantworten. Johannes kennt diese Krankheit, die ihn von Tag zu Tag mehr schwächt und bis zum Skelett abmagern läßt. Die Volksseuche Tuberkulose wurde allgemein »Auszehrung« genannt. Die alten Familienbücher geben heute noch Auskunft über die Opfer der »Auszehrung«. Johannes konnte schon in seiner Jugendzeit miterleben, daß diese Krankheit mit wenigen Ausnahmen zum Tod führt. Erst Jahre nach seiner Genesung berichtet er in die Heimat, wie nahe er seinerzeit dem Tode war- »Ich legte alle diese Briefe zur Seite und wollte mich nun auch nicht mehr damit beschäftigen, vielmehr lag mir daran, an den Tod, der mir nahe schien, zu denken.« Im Brief an seinen Bruder Anton, den er vierzig Jahre später schreibt, deutet er seine Genesung von der Tuberkulose als wundersame Rettung.

 In anderen Zusammenhängen, als er seinen Geschwistern Trostworte schreibt, berichtet Johannes, wie er die Hilfe Gottes spürte: »Habt Vertrauen auf Gott, und seid standhaft im Guten und so werdet Ihr nichts zu fürchten haben. Schon zweimal habe auch ich offenbare und besondere Hilfe Gottes erfahren. nämlich da uns vor zwei Jahren ein Gartenhaus einstürzte, stand ich oben auf dem Dach desselben, und mich an einem kleinen Thurme haltend, fiel ich mit, ging aber wieder ganz unverletzt hervor. Und als ich am 20. Januar dieses Jahres nach Boulay in die Apotheke gehen mußte, und es bei meiner Rückkehr Nacht geworden war, so erblickte ich auf der Straße, ungefähr zehn Schritte vor mir hinter einem Steinhaufen zwei Augen wie Feuer, plötzlich stand ich still, wo ich dann gleich im Dunkeln Kopf, Brust und Vorderfüße unterscheiden konnte, nun könnt Ihr es Euch selbst denken, welcher Schrecken über mich kam als ich in der Nacht, allein und ohne jede menschliche Hilfe vor einem großen Wolfe stand.» Auf Gott vertrauend kämpfte der Überfallene mit dem Tier, das ihn plötzlich ohne Schaden wieder verließ. Humorvoll ergänzt er. »Freilich hätte (der Wolf zwar an mir nicht viel gefunden, denn obschon ich immer ganz gut gesund bin, so bin ich doch auch immer ganz mager.«" Beim Klosterbau in St. Nicolas (1865?) stürzt Bruder Johannes von einer 45 Fuß (ca. 15 m) hohen Kirchenmauer auf einen Steinboden und bleibt unversehrt. Er steht auf und setzt seine Arbeit auf der Mauer unverzüglich fort."

Während des deutsch-französischen Krieges (1870/71) wird das Kloster Teterchen Kriegslazarett, zuerst für französische, dann für deutsche Offiziere und Soldaten. Zusammen mit einem Mitbruder aus Boulogne übernimmt er die Krankenpflege, assistiert bei Operationen und besorgt Essen für die Mahlzeiten. Sein Mitbruder stirbt vor Erschöpfung; Ruhr, Typhus und Pocken haben sich ausgebreitet und auch vor dem Kloster nicht haltgemacht. Im Lazarett richtet die Ruhr viele zugrunde. Erst Ende 1871 klingt die Seuche ab.

Die Zeit in Frankreich bringt für Bruder Johannes auch familiär harte Schicksalschläge. Seine Schwester Mariana, die mit 25 Jahren zu seiner Freude in ein Kloster im Elsaß eintritt, wird schwer krank und muß das Kloster wieder verlassen. Sie ist in seelischer Not, kehrt aus Rücksicht auf das Elternhaus nicht in die Heimat zurück und wendet sich an Bruder Johannes. In einem ergreifenden Brief spendet er ihr Trost. Von seiner Schwester Gertrud erfährt er von Hunger und Krankheit, von Angst und Not in der Heimat. Betroffen liest er, daß seine Mutter mit dem Tode ringt. Die Mutter stirbt im Dezember 1861; er kann sie nicht mehr besuchen. An Weihnachten 1864 weiß er, daß der Vater todkrank ist. Er verspricht ihm seine Liebe und Dankbarkeit «auch einmal im Werke darzubringen»." Dazu kann es nicht mehr kommen; am 31.12.1864 stirbt der Vater 74-jährig.