09.03.1987

Schwäbische Zeitung 09.03.1987 Erzbischof als Ehrengast - BRD, Honorarkonsul und Dächinger als Spender

Text und Bilder von Veit Feger

An der Kathedrale von Cuenca/Ecuador wurde jetzt Gedenktafel an ihren Erbauer aus Dächingen enthüllt

CUENCA/ECUADOR - DÄCHINGEN (vf). Vor hundert Jahren wurde in der drittgrößten Stadt des südamerikanischen Landes Ecuador der Grundstein für eine der größten Kathedralen des Kontinents gelegt in einem erdbebenbedrohten Gebiet, in dem bis heute immer wieder auch Kirchen einfallen. Die "neue Kathedrale" von Cuenca steht immer noch, und jetzt gibt es auch den Plan, in den nächsten Jahren die beiden Turmstümpfe entsprechend den Plänen aus dem 19. Jahrhundert zu Ende zu bauen. Entwerfer und Bauleiter war der aus Dächingen stammende Bedemptoristenbruder Johannes Stieble. Zum 100. Tag der Grundsteinlegung wurde jetzt auf Initiative von Deutschen in Cuenca an der Kathedrale selbst eine Gedenktafel angebracht und bei einer kleinen Feier in Anwesenheit des Erzbischofs von Cuenca enthüllt. Weil die erwachsende Erinnerung an den Dombauer eigentlich aus der einstigen Heimat von Bruder Juan Bautista angeregt wurde, ist auf der Gedenktafel auch der genaue Herkunftsort, nämlich Dächingen, erwähnt.

Der Schwäbischen Zeitung Ehingen, die einiges zur Wiedererinnerung und zum Gedächtnis an Bruder Johannes beigetragen hat, liegen jetzt Fotos aus Cuenca, Presseberichte und persönliche Aufzeichnungen von Teilnehmern an der Gedenktafel-Enthüllung vor. Die teilweise spanischen Texte wurden von einem Urgroßneffen Bruder Juans, Dr. W.Richter, Contwig/Rheinland, ins Deutsche übersetzt.

Die Tafel trägt die Inschrift:

"En homenaje al Hno.Redentorista Juan Bautista Stiehle deseñador y constructor de esta catedral. Nacido el 01-06-1829 en Daechingen-Alemania. Fallecido el 20-01-1899 en Cuenca-Ecuador. En el centenario de la colocación de la primera piedra. En gratitud la ciudad de Cuenca la Republica Federal de Alemania y los alemanes residentes. Cuenca, Diciembre 12 de 1986."

Auf Deutsch:

"Als Ehrung für den Redemptoristenbruder Johann Baptist Stiehle, Entwerfer und Erbauer dieser Kathedrale. Geboren am 1.6.1829 in Dächingen-Deutschland. Gestorben am 20.1.1899 in Cuenca-Ecuador. Zur Hundertjahrfeier der Grundsteinlegung. In Dankbarkeit die Stadt Cuenca, die Bundesrepublik Deutschland und die hier ansässigen Deutschen. Cuenca, den 12. Dezember 1986."

Geziert ist die Tafel mit einem Bild von Bruder Johannes, wobei sowohl auf ein Foto zurückgegriffen wurde, das in Deutschland aus der Zeit vor der Auswanderung Juans nach Südamerika, also aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, existierte, als auch auf ein Bild von Bruder Juan Bautista, das in Cuenca existiert (und an dieser Stelle auch schon abgebildet worden ist). Die Anfertigung des Bild-Reliefs auf der Gedenktafel wurde durch Spenden aus Dächingen mitfinanziert.

Einen Teil der Kosten trug auch über Vermittlung des deutschen Botschafters in Quito die Bundesrepublik, einen weiteren Teil der Honorarkonsul der Bundesrepublik in Cuenca, Otto Schneewind. Die Kosten der Bronzetafel beliefen sich laut Mitteilung von O. Schneewind auf 54300 ecuadorianische Währungseinheiten.

Zu der Enthüllung der Bronzetafel erschienen rund 150 Personen, Honoratioren der Stadt, Architekten, Ordensleute (Redemptoristen und die Dominikanerinnen, die heute die Kathedrale betreuen), insbesondere aber der "Hausherr", der Erzbischof von Cuenca.

Der Platz an der Kathedrale war abgesperrt worden. Konsul Schneewind begrüßte. Die Hauptansprache hielt dann Pater Juan Abril vom örtlichen Redemptoristenkloster. Pater Juan Abril war es, der als erster auf die Kontaktbemühungen der Schwäbischen Zeitung Ehingen in Cuenca einging und sich dann bei den Besuchen von Ortsvorsteher Franz Holzmann bis auf den heutigen Tag in vielfältiger Weise hilfreich bewährte. Abrils Ansprache wurde von der Cuencaer Hauptzeitung, dem "Mercurio", vollständig wiedergegeben.

Architekt Gaston Ramirez Salcedo, der Leiter der Bauhütte der Kathedrale, sprach gleichfalls. Er nannte die Gedenktafel-Enthüllung eine "angemessene Zeremonie der Dankbarkeit und Anerkennung". Ramirez sprach die Hoffnung aus, daß bis 1992 die Turmaufbauten abgeschlossen sein könnten, zur 500-Jahr-Feier der "Entdeckung Arnerikas". Einen eigenartigen Umgang mit der Historie zeigte der Architekt, als er dazu aufforderte, "sich daran zu erinnern, daß unsere heilige Religion an der Spitze der Schiffe kam und daß das Kreuz vor dem Schwert von unserem Land Besitz nahm".

Es scheint in Südamerika die Auffassung zu qeben, daß die Fundamentierung der Kathedrale unzureichend sei. Arch. Ramirez nannte das bei der Feierlichkeit unrichtig. Die Pläne für die Erweiterung der Türme und für eine Verkleidung der Außenwände seien zudem von internationalen Spezialisten begutachtet.

Die Stadt Cuenca war bei der Feierlichkeit durch die Kulturbeauftragte des Oberbürgermeisters, Dr. Rosalia Arteaga de Cordova, vertreten. Sie scheint recht unpathetisch gesprochen zu haben und verwies auf die touristische Bedeutung der Kathedrale.

Der Erzbischof von Cuenca, Monsignore Luis Alberto Luna Tobar, enthüllte die 45 auf 60 Zentimeter große Gedenktafel.

Die Ansprache von Pater Abril

Pater Juan Abril schilderte in einer ausführlichen Ansprache Leben und Arbeit von Johannes Stiehle. Er erwähnte u.a., daß Stiehle mehrere Pläne vorlegen mußte, bis einer dem damaligen Bischof Leon Garrido gefiel (anscheinend sahen die zuerst vorgelegten Pläne keine den Wünschen des Bischofs entsprechende Größe der künftigen Kathedrale vor). Abril zählte auch einige südamerikanische Bauten auf, die Stiehle entwarf oder an denen er leitend mitbaute: "Er entwarf die Pläne für die Kirchen und Klöster der Redemptoristen, in Buga (Kolumbien) und Cauquenes (Chile). Er baute das Kloster von Carmen de San José (bereits abgerissen). Er baute die hübsche gotische Kapelle der Nonnen der Heiligen Herzen (ebenfalls zerstört). Er entwarf die Kirche zum Heiligen Abendmahl. Er leitete den Bau der Schule der Lasallanischen Brüder und der Schule der gutherzigen Schwestern. Er baute den Nordflügel des Diözesanseminars. Er war verantwortlich für den Bau des Waisenhauses und des Hospitals von Cuenca. Er baute den Turm der Kirche von Canar. Er baute die Schule der Vorsehung in Azogues. Er errichtete die Schule der Dominikanerinnen in Gualaceo. Er baute ferner das alte Hospital von Gualaceo. Er errichtete das Haus der Familie Ordoñez, das neben der alten Kathedrale von Cuenca steht, er baute die Brücken über den Fluß Machángara, den Fluß Burgay, die Brücke vorn Rumihurco, die nahe bei Charasol liegt, sowie weitere Brücken."

Eine Cuencaer Zeitung berichtete über die Gedenkstein-Enthüllung unter der Überschrift "Besser spät als nie": eine solche Gedenkfeier solle ein Ruf zur Aufmerksamkeit sein, um nicht Diener der Stadt zu vergessen, die bereits vergessen waren; es gab bisher keine Bemühungen, ihnen zu danken.

Nachzutragen

Zur bisherigen Berichterstattung der Schwäbischen Zeitung Ehingen über Bruder Johannes und die Geschichte seiner Wiederentdeckung ist an Neuem nachzutragen, daß wider Erwarten erneut Briefe von Bruder Johannes zutage traten. Dem unermüdlichen Suchen von Franz Holzmann ist es zu verdanken, daß von verschiedenen Orten wieder Briefe oder deren Kopien zugeschickt wurden. So beträgt die Zahl der Briefe jetzt gegen 70. Am Anfang der Suche vor einigen Jahren stand etwa ein halbes Dutzend. Auch aus Rom, vom Generalat der Redemptoristen, zu dem die Schwäbische Zeitung Ehingen die ersten Kontakte geknüpft hatte, traf "neue Post" ein. Der aus Erbstetten stammende derzeitige Diakon Sigmund Schänzle übergab kürzlich dem Generalat eine von Franz Holzmann angefertigte Dokumentation über Bruder Johannes. Hilfreich erwies sich jetzt Pater Karl Borst von der Ordenshochschule Collegio San Alfonso; er war früher als Provinzial in München öfter in die frühere Niederlassung der Redemptoristen St. Gerhard in Riedlingen gekommen. Der jetzige Archivar des Ordens in Rom war früher in Cuenca tätig gewesen. Von seinem Vorgänger, Pater Sampers, hatte die SZ vor einigen Jahren Kopien veröffentlicht.

Von Architekt Ramirez Salcedo erhielt Franz Holzmann jetzt eine Veröffentlichung von Pater Eduardo A. Echeverri aus dem Jahre 1938, in der die Kirche in Buga/Kolumbien, ebenfalls eine Planung von Bruder Johannes, beschrieben ist. Im Gegenzug erhielt der Leiter der Dombauhütte von Cuenca von F. Holzmann eine Sammlung der Stellen aus Briefen Bruder Juans, die seine Arbeit vor hundert Jahren an der Kathedrale von Cuenca betrafen.

In dem Text E. Echeverris wird die Kathedrale von Buga ausführlich beschrieben: sie ist 72 Meter lang, 29 Meter breit, hat drei große Schiffe, über dem zentralen Schiff ragen vier Halbgewölbe von 22 Metern auf, im Zentrum eine Kuppel von 33 Metern Höhe. U.a. wird an dem Bauwerk seine Erdbebensicherheit hervorgehoben, die es ermöglichte, daß das Bauwerk die Beben von 1906, 1925 und 1938 unbeschadet überstand.

Einer der Patres, die Franz Holzmann bei seinen Nachforschungen in Cuenca herzlich unterstützten, war der Steyler Missionar Pater Heghmans. Er leitet ein international tätiges Zentrum zur Förderung der Bibellektüre in Cuenca. Heghmans wird nächstes Jahr nach Dächingen kommen, voraussichtlich während der Marienwallfahrttage.