Werke von Bruder Johannes in Kolumbien, Peru und in Chile

Bruder Johannes hat nach seiner Ankunft in Südamerika im Dezember 1873 Ecuador vermutlich nicht mehr verlassen. Zwar hat er, wie er selbst im Alter schreibt, »zu Zeiten zu Pferde noch einige Reisen gemacht«, diese aber höchstwahrscheinlich innerhalb der Landesgrenzen Ecuadors. Es gibt in keinem der vorhandenen Briefe einen Hinweis über einen Aufenthalt in einem anderen lateinamerikanischen Land als Ecuador. Wohl aber gibt es Anfragen nach Planentwürfen zu Kirchen und Klosteranlagen in verschiedenen Teilen Südamerikas, die in engem Zusammenhang mit Neugründungen von Ordensniederlassungen stehen. Seinen Verwandten in Dächingen macht er dbzgl. Andeutungen, oft als Entschuldigung für seine lang ausbleibenden Briefe. So z. B. 1891: »Ich habe immer sehr viel Arbeit, ich kann Euch nicht sagen, mit wie vielen auswärtigen Arbeiten ich immer in Anspruch genommen bin.« Von einer solchen auswärtigen Arbeit hatte er bereits 1886 kurz berichtet. »Ich arbeite ... gerade an einem Plan für eine große neue Kirche und Kloster für die Republik Columbia, und ich bin nicht wenig in Gefahr, daß ich dasselbe vielleicht noch selbst ausführen muß. Lieber Bruder, wenn ich all die Beschäftigungen aufzählen würde, welche ich in der Nähe und Ferne habe, noch ein Blatt würde nicht hinlangen.« Aus anderen Quellen ist bekannt, daß er mit der Klosteranlage in Columbien die Gebäudetrakte in Buga im Blick hat. Eine 1938 in Buga veröffentlichte Beschreibung über die Kirche »Unseres Herrn der Wunder« führt zur Herkunft der Pläne an: »Der Redemptoristenbruder Johannes Stiehle, Deutscher, damals in Cuenca Ecuador lebend, war ein durch seine ausgezeichneten Fähigkeiten berühmter Mann und ein anerkannter Architekt in jener Republik. Er war es, der die Pläne der neuen Kirche erstellte. Diese befinden sich in Einklang mit den örtlichen Gegebenheiten; von hier aus hat man (ihm) darüber rechtzeitig berichtet«. Die Kirchenbeschreibung enthält keinen Hinweis darüber, ob die von Bruder Stiehle früher geäußerte Befürchtung, »dasselbe vielleicht noch selbst ausführen (zu müssen)«, sich bewahrheitet hat. Die Bauleitung vor Ort übernahm schließlich ein französischer Architekt.

Für die »Väter zu Cauquena in Chile« erstellte Bruder Johannes in Anlehnung an die Klosteranlage von Buga / Kolumbien Pläne für den Bau einer Kirche und eines Klosters. Nach diesen Plänen sind die Gebäude im ausgehenden 19. Jahrhundert in Cauquenes dann gebaut worden. Die Anlage steht noch heute, auch wenn sich Aussehen und Funktion gewandelt haben. Als beim schweren Erdbeben 1930 mit Epizentrum in Chillan die beiden großen Türme zu Boden gegangen waren, hatte man sich zwar für den Wiederaufbau der Türme entschließen können, hatte aber einen anderen Baustil gewählt und die Türme niedriger gebaut. Die Gebäude beherbergen heute kein Kloster mehr, obgleich noch eine Niederlassung der Redemptoristen dort besteht. Seit 1951 ist San Alfonso zu Cauquenes eine Pfarrkirche.

Knapp einen Monat nach dem Tod von Bruder Johannes, im Februar 1899, nennt P. Augustinus G. Kaiser im Rahmen seiner umfassenden brieflichen Mitteilungen an Chrisostomus Stiehle drei große auswärtige Projekte (in Buga/Kolumbien, in Lima/Peru und in Cauquenes/ Chile), deren Urheber Bruder Johannes ist: »Für unsere im Staate Buga in Columbia lebenden Väter hat Johannes zum Kloster und zur Kirche einen mit Fleiß ausgearbeiteten Grundriß gezeichnet, ein bewunderungswürdiges Denkmal. Unsere Väter zu Cauquena in Chile baten unseren Johannes, er möge ihnen das gleiche Kloster und das gleiche Gotteshaus nachbilden; dieser Bitte ist er, obwohl schwach und halbblind, mit der größten Bereitwilligkeit nachgekommen. Ebenso besaßen unsere Väter, die sich in Lima niedergelassen haben, eine ziemlich schöne Kirche; nur fehlten die Altäre. Wer aber hätte davon ein schöneres Bild entwerfen können als Johannes von Cuenca? Daher verlangten sie von ihm eine Zeichnung von Altären und (er) arbeitete sie alsbald aus.«

Wer die Redemptoristenkirche Inmaculada jenseits des Rio Rimac am Plaza Pisaro in Lima/Peru besucht und im Innenraum die in Holz geschnitzten Altäre, Bänke und Beichtstühle sieht, meint in San Alfonso in Cuenca/Ecuador zu sein. Die Ähnlichkeit ist verblüffend, die Verbindung zum Werk von Bruder Johannes in bezug auf die Urheberschaft ist offensichtlich. Die Gründung der Ordensniederlassung in Lima dürfte mit der Ende der 70iger Jahre durch Revolution und Bürgerkrieg in Ecuador vorherrschenden verworrenen Lage in engem Zusammenhang stehen. 1877 reisten zwei Patres der Redemptoristen von Cuenca aus nach Lima/Peru mit der Absicht, dort ein Haus zu gründen, das, im Falle einer Vertreibung der Redemptoristen in Ecuador, Ordensangehörige aufnehmen könnte. Im Innern wurde unlängst eine Renovation durchgeführt. Eine Renovation der Außenteile, insbesondere des Mauerwerkes, erscheint dringend geboten. Risse durchziehen das Gemäuer.